Unerfüllter Kinderwunsch
Jedes fünfte bis sechste Paar ist von unerfülltem Kinderwunsch betroffen. Leider ist das Thema nach wie vor ein Tabuthema, was es zusätzlich schwierig macht, sich damit auseinanderzusetzen. Es ist der einsamste Club, in dem man Mitglied werden kann. Das Thema lässt sich nicht abstellen, man kennt sein Ende nicht und es dominiert den gesamten Alltag und den Terminkalender Monate im Voraus – und da soll man sich „einfach nur entspannen“?
„Man beginnt einen Menschen zu vermissen, den man noch gar nicht kennt und je länger man auf ihn wartet, desto präsenter wird er in unserem Alltag.“
Ein unerfüllter Kinderwunsch kann sich auf folgende Lebensbereiche auswirken:
Beziehung und Sexualität
Unerfüllter Kinderwunsch ist die härteste Bewährungsprobe für jede Beziehung. Wenn sich beide Eltern ein Baby wünschen und es einfach nicht klappt, stellt dies eine Beziehung auf eine harte Probe. Es beginnt die Suche nach der Ursache, unzählige Arzttermine, Sex nach Kalender – dies vielleicht nach einem anstrengenden Arbeitstag oder wenn ein Partner gerade eine Weiterbildung in einer anderen Stadt macht usw. Einladungen bei Freunden oder Vereinstermine werden zugunsten des richtigen Timings abgesagt – und schon beginnt der Strudel. Man hofft und weint gemeinsam und ist trotzdem oft unendlich alleine. Man leidet miteinander, wenn wieder ein Monat erfolglos vorbei ist und manchmal streitet man sich, weil man überfordert ist.
Körperliche Gesundheit
Natürlich können körperliche Beschwerden die Ursache für ungewollte Kinderlosigkeit sein. Daneben entstehen aber dadurch auch erst körperliche Beschwerden. Viele Kinderwunschbehandlungen verlangen die Einnahme von sehr starken Hormonpräparaten, die für den Körper eine unglaubliche Belastung bedeuten. Wenn statt einer Eizelle plötzlich fünfzehn oder zwanzig heranreifen, ist dies eine körperliche Höchstleistung. Hinzu kommen Nebenwirkungen wie z.B. Wassereinlagerungen, Kopfschmerzen, Aufgedunsenheit, Schlafstörungen und viele weitere. Operative Eingriffe können auch schmerzhaft sein und fühlen sich meist unangenehm an.
Psychische Gesundheit
Die psychische Gesundheit ist häufig viel stärker beeinträchtigt. Verzweiflung, Trauer, Druck, Stress und Enttäuschung sind bei unerfülltem Kinderwunsch ständige Begleiter. Da es sich nach wie vor um ein Tabuthema handelt, kommt man oft in Situationen, in denen man nach aussen himmelhoch jauchzend auftreten muss, aber im Inneren fühlt man sich grausam.
Arbeit
Bei der Arbeit kann man einerseits dauernd mit Schwangerschaften von anderen Mitarbeiterinnen konfrontiert sein, was an sich schon eine Belastung darstellt.
„Kinderwunschbehandlungen sind etwa gleich gut planbar wie das Wetter – gar nicht.“
Für jeden Behandlungszyklus stehen andererseits unzählige Kontrolluntersuchungen an, manchmal sogar in anderen Städten. Diese mit der Arbeit zu vereinbaren ist nicht immer einfach. Darüber hinaus stellt sich oft die Frage, ob man den Arbeitgeber in die Thematik einbindet oder nicht. Wenn jemand wegen Rückenschmerzen jeden Dienstag zur Physio muss, interessiert das auf der Arbeit niemanden. Aber wie verhält man sich, wenn man eine Gebärmutterspiegelung machen muss?
Finanzen
Kinderwunschbehandlungen werden von der Krankenkasse nur in sehr engem Umfang übernommen – wenn überhaupt. Dabei gibt es mehr Ausnahmen aus versicherte Fälle und hinzu kommen Kosten für zusätzliche Kontrollen, Medikamente, Reisekosten usw. Nicht selten kostet ein Behandlungszyklus für eine künstliche Befruchtung zwischen 10'000.-- und 15'000.-- Franken/Euros, ohne dass man zwingend mit einem Baby nach hause gehen kann.
Konkret stellt sich bei jedem Paar die Frage, ob man Weiterbildungen zugunsten einer passenden Behandlungsphase verschiebt, ob man den Urlaub zur Erholung bucht und dafür mit der nächsten Runde wartet, oder ob man einen Kredit aufnehmen soll. Daneben führen Freude und Familie einen sorglosen Lebensstil und können nicht nachvollziehen, warum man sich nicht endlich ein neues Auto kauft.
Freundeskreis und Familie
Freude und Familie in die Thematik des unerfüllten Kinderwunsches einzubinden ist oft ein zweischneidiges Schwert. Während man Zuspruch und Unterstützung sehr gut gebrauchen kann, wird man mindestens genauso oft mit ungebetenen und häufig unangebrachten Ratschlägen überhäuft; und seien sie noch so gut gemeint. Solche ungewollte Teilhabe an der Situation kann enormen Stress verursachen und ist für die Betroffenen unangenehm.
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