Ab wann ist ein Kinderwunsch eigentlich unerfüllt? Jede/r Betroffene kommt zu einem unterschiedlichem Zeitpunkt zu dieser Erkenntnis, aber häufig kommt sie unnötig früh, weil wir uns von falschen Erwartungen unnötig unter Druck setzen lassen.
Medizinisch gesehen spricht man meistens nach einem Jahr des erfolglosen Versuchens von unerfülltem Kinderwunsch, aber dass diese Zahl nicht auf alle Menschen zutrifft, werden wir noch sehen.
Aus Filmen kennen wir alle den Fall, dass jemand einmal aus Versehen ungeschützten Geschlechtsverkehr hat und dann sofort ungewollt schwanger wird. Ja, diese Fälle gibt es, aber sie sind viel mehr die Ausnahme, als wir denken. Wenn es bei uns dann aber nicht gleich beim ersten Mal klappt, befürchten wir bereits, dass etwas nicht stimmt.
Wir haben auch alle diese eine Freundin, die bei der Grillparty laut und süffisant hinausposaunt, dass es diesmal ja gleich ins Schwarze getroffen hätte und sie sofort schwanger geworden sei - ob das wirklich stimmt, wissen wir nie.
Zwar bestehen rein medizinisch gesehen pro Zyklus (der Frau - und das sind 50% des Teams) Chancen von 15-25%, schwanger zu werden. Dies ist aber abhängig vom Alter, vom körperlichen Zustand, vom Partner und von vielen weiteren Faktoren.
Trotzdem machen wir im Kopf die Rechnung, dass es ja dann in maximal vier bis fünf Monaten klappen wird. Wenn es im vierten Monat noch nicht geklappt hat, haben wir automatisch die Erwartung, dass wir dann aber im fünften Monat mit Sicherheit an der Reihe sind.
Ganz so einfach ist es aber nicht. Wenn wir aus dem Stand versuchen, mit einem Würfel eine bestimmte Zahl zu würfeln, so braucht es auch oft mehr als sechs Anläufe. Schwanger zu werden ist so gesehen wie eine Lotterie, in der man jeden Monat von Neuem die Chance 1:5, 1:4, 1:15 oder welche auch immer hat, das heisst aber nicht, dass die Wahrscheinlichkeiten der Reihe nach abgearbeitet werden und man nach X Monaten zwingend schwanger ist.
Stellen wir uns vor, dass aus zwei einzelnen Zellen am Ende ein Wunder entsteht, das unglaublich viele Funktionen hat. Ein Baby hat alle Anlagen, die es ihm erlauben, später zu einem erwachsenen Menschen zu werden. Es hat einen funktionierenden Körper, es hat z.B. schon Anlagen für Zähne und viele weitere Dinge. Es sind deshalb Millionen von Faktoren, von Abzweigungen, die eine Entwicklung nehmen muss, damit man am Ende einen lebenden Menschen erschafft.
Dass eine Schwangerschaft nicht zustande kommt, hat häufig damit zu tun, dass die Eizellen und/oder Spermien genetisch nicht ganz einwandfrei sind. Wenn also am Ende eine Million Schritte passen müssen und bei Schritt 999'999 ein Fehler drin ist, war man enorm nahe dran, aber es hat trotzdem nicht ganz gereicht. Trotzdem waren 999'999 Punkte in Ordnung. Vor diesem Hintegrund sind Quoten von 1:5 doch extrem hoch, wenn dabei so viele Dinge zusammenpassen müssen.
Wenn jemand daher zusätzlich unter medizinischen Einschränkungen leidet, kann eine Quote entsprechend sinken. Es ist übrigens normal, dass nur ein Teil der Eizellen/Spermien genetisch perfekt ist, dies hat die Evolution einfach so eingerichtet.
Zusätzlichen Druck gibt es auch durch Dr. Google, wo man (ja ich weiss - habe ich auch gemacht...) in seiner Not oft solche Quoten googelt, aber ohne die eigene medizinische Situation darin voll abbilden zu können.
Vor dem Hintergrund einer monatlichen Lotterie statt einer Vollkasko-Garantie ist es daher wesentlich einfacher, die realistischen Chancen einer Schwangerschaft zu beurteilen.
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