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"Der Hund ist ja voll der Kinderersatz" - warum das weniger schlimm ist als gedacht

Autorenbild: Anna BergmannAnna Bergmann

Aktualisiert: 7. Feb.




Bevor sich mein grosser Traum nach 32 KiWu-Behandlungen endlich verwirklichte, war ich oft kurz vor dem Durchdrehen, orientierungslos und vor allem perspektivlos.

Auch wenn der unerfüllte Kinderwunsch so ziemlich das Intimste ist, was man in einer Beziehung teilen kann, so finden auch zwei sehr vertraute Menschen nicht immer Worte für das, was einen so belastet.

Der einzige Mensch, der mich besser kennt als ich selbst, ist meine Mutter. So war es denn auch ihre Idee, dass ich mir (wieder) einen Dackel zulegen sollte. Schon die Jahre zuvor habe ich immer einen Dackel gehabt, der mich auch zum Studium immer begleitet hat (manche Professoren haben bis zum Schluss nicht gemerkt, dass sich auch ein Dackel sämtliche Vorlesungen zum Verwaltungsrecht und Scheidungsrecht angehört hat).


Von der ersten Sekunde an, als ich den Hund hatte, veränderte sich mein Gemütszustand. Ich hatte ein kleines Wesen, um das ich mich kümmern konnte und das ich hemmungslos verwöhnen konnte. Wenn ich so zurückdenke, dann hätte ich das vermutlich auch ohne Kinderwunsch getan, denn ich bin mir Tieren aufgewachsen und ich sehe sie als ebenbürtige Familienmitglieder - esse deshalb auch seit ich etwa fünf Jahre alt bin kein Fleisch.


Was war also anders in Bezug auf den Kinderwunsch? Vielleicht war es diese innige Verbindung mit diesem Tier, die ich von dem ersten Tag an hatte. Ich bin fest überzeugt, dass Hunde hochsensible Tiere sind, die ganz genau spüren, wenn es einem nicht gut geht. Der Dackel war vom ersten Tag an wie mein geheimer Verbündeter, der Einzige der mich nicht mit dauernden (auch gut gemeinten aber mühsamen) Fragen belagerte, mich nicht wertete.


Je schlechter ich mich fühlte, desto näher kam er zu mir und spendete mir Wärme - im wahrsten Sinne des Wortes. Kälte verbreitete sich in meinem Bauch, aber der Dackel gab mir diese Wärme, wo all die Liebe hinfliessen kann, die sich bei einem aufstaut und wo man nicht weiss wohin damit.


Vielleicht ist das der Grund, dass wir von Anfang an eine ganz innnige Beziehung zueinander pflegten, die sich - und da muss ich ehrlich sein - weniger in einer mustergültigen Erziehung zum Ausdruck brachte. Mein Dackel ist nicht erzogen, kann kein Sitz und Platz, aber mal ehrlich: Bei der Grösse interessiert das auch niemanden. Es war stattdessen eine stillschweigende Verbindung auf einem anderen Level, die eine Sache zu Tage brachte: Uns gibt es nur im Doppelpack.


Während meinem KiWu wechselte ich zwei Mal die Stelle, weil ich es einfach nicht mehr aushielt. Zu viele Schwangere, zu viel Klatsch und Tratsch. Beide Male kündigte ich einfach ins Blaue hinaus, ohne schon eine Zusage für eine neue Stelle zu haben. Wäre es da nicht riskant, ohne neue Stelle auch gleich noch zu verlangen, dass man den Hund ins Büro mitbringen darf? Nüchtern betrachtet schon, aber ich glaube da hat das Universum ein Wörtchen mitgeredet.


In der Schweiz ist es nicht gerade üblich, dass man bei der Arbeit seinen Hund mitbringen darf. Ich formulierte dies aber als so selbstverständliche Bedingung, dass jeder künftige Arbeitgeber wohl ein oder beide Augen dafür zudrückte, denn beide Male durfte ich wider Erwarten den Dackel mitnehmen. "Er gehört zu mir" würde Marianne Rosenberg sagen. Mir hat er gut getan und das hat letztlich auch dem Arbeitgeber gut getan - ohne Dackel wäre ich wohl ein psychisches Wrack geworden.


Jedenfalls muss ich wohl so bestimmt gewesen sein, dass im ersten Fall das ganze Betriebsreglement geändert wurde, weil ich den Dackel mitbringen wollte. Viele hatte zuvor gefragt, aber niemand war bis zur Geschäftsleitung durchgedrungen. Im zweiten Fall hatte ich einen vollkommen antiseptisch veranlagten Chef, der beim kleinsten Staubkorn auf seinem Schreibtisch wutentbrannt die Reinigungsfirma anrief und zur Nachbesserung heranzitierte - auch er sagte nichts. Ich kann nur mutmassen, aber ich glaube der Hund ist so mit meinem Wesen verschmolzen, weil ich ihn in dem Moment einfach gebraucht habe und ich habe dies unbewusst nach aussen kommuniziert - keine Widerrede.


Was ich aber weiss: Viele Leute werden diese enge Symbiose genau bemerkt haben und hinter meinem Rücken gesagt haben: "Der Hund ist ja voll der Kinderersatz", wobei ein abfälliger Unterton nicht ausgeblendet werden konnte.


Diese Situation habe ich in einem Reel vergangene Woche verarbeitet, der innert zwei Tagen über 100'000 Mal und mittlerweile über 350'000 Mal gesehen wurde - für meine Verhältnisse ist dieses Reel viral gegangen. So viele Menschen haben ihr Mitgefühl ausgedrückt und kennen solche Äusserungen, aber niemand kann das Problem dabei verstehen.

Warum ist das so schlimm, wenn ein Hund oder ein anderes Haustier als Kinderersatz dient? Diese Tiere werden unendlich verwöhnt und geliebt (natürlich unter der Voraussetzung, dass dies artgerecht geschieht). Wo ist das Problem, wenn mein Hund bei mir im Bett schläft oder wenn er statt einem fünfzig Halsbänder besitzt, weil es mir Freude bereitet, ihm diese zu kaufen? Natürlich, er ist ein Hund und er wird kaum merken, ob er das grüne Strasshalsband oder das braune Lederhalsband trägt. Ich freue mich aber wie ein kleines Kind, wenn er ein Geburtstagsgeschenk bekommt und es wenigstens ein Wesen gibt, für das ich eine Torte backen kann (die er natürlich niemals essen wird). Wo ist das Problem?


In all den Jahren war der Dackel immer meine nonverbale Stütze, die nicht gewertet und nicht hinterfragt hat, sondern einfach immer da war. Egal welche schlechte Diagnose ich bekommen habe, wie oft wieder ein negatives Ergebnis auf dem Test geprangt hatte - er war immer da und war mein Follower der besonderen Art.


Mich hat die Resonanz dieses Reels enorm bewegt, weil ich nicht gedacht habe, dass diese Situation so problembehaftet ist und so viele Betroffene da draussen ähnliche Fragen erlebt haben.


Wenn du dir also auch überlegst, ob du dir ein Haustier zulegen sollst (ob als Kinderersatz oder nicht - es ist eine erste Stufe von Verbindlichkeit der besonderen Art), dann möchte ich dir diese Gedanken auf den Weg geben:


  1. Tue es, wenn es dir guttut. Tiere sind neutrale Wesen und sie bereichern unser Leben. Sie warten jeden Abend auf dich und stellen niemals dumme Fragen. Du bist die Grösste für sie, egal wie du dich fühlst. Wenn es dir die Wärme gibt, die dir durch ein Baby fehlt - go for it. Nur du kannst entscheiden, was dir gut tut und das Urteil anderer ist nicht massgebend.

  2. Heirat, Haus, Hund (...Kind?): Diese Kaskade wird durch den Kauf eines Hundes nach aussen natürlich etwas in den Fokus gestellt. Mache dich gefasst, dass dann erst recht Fragen nach dem Baby kommen werden, aber wie du ja weisst, kann man sich darauf vorbereiten. Gib mir ein Zeichen und wir bereiten dich gezielt darauf vor in einem Coaching.

  3. Unterschätze nicht die positive Wirkung der Natur: Statt zuhause zu liegen, wo einem die Decke auf den Kopf fällt, verlangt ein Hund nach täglicher Bewegung. Hinaus in die Natur zu gehen ist wie Balsam für die Seele - und wenn es mal nur ist, um im Wald alleine zu weinen. Der Hund ist immer für dich da und er zwingt dich, dich nach draussen zu begeben. Die Wirkung eines Spaziergangs ist beeindruckend und lässt dich langfristig gar nie so sehr in ein Tief kommen, wie wenn du tagelang auf dem Sofa liegst und dich verkriechst.


Wenn du also auch schon einmal befürchtet hast, dass Leute über dich reden könnten und denken könnten "Der Hund ist ja voll der Kinderersatz", dann lass dir eins gesagt sein: Kauf dir einen Hund und wenn dich wieder einmal der Gedanke überkommt, dann drehe das Lied "Lass die Leute reden" von den Ärzten ganz laut auf, natürlich nur so laut, dass es deinen Hund nicht stört - und tanze dazu.

Du brauchst noch mehr Unterstützung, wie du deinen Alltag dem KiWu anpassen kannst, damit du nicht von einer unangenehmen Situation in die nächste tappst und dich dabei schlecht fühlst? Sende mir eine Email, eine Flaschenpost oder rufe mich an und wir packen es gemeinsam an - ich freue mich auf dich!




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