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AutorenbildAnna Bergmann

Ende gut alles gut?

Nach vielen Jahren der Kinderwunschzeit, welche endlich mit einem Baby geendet hat, bekam ich oft einen Satz zu hören.


Ende gut - alles gut.


Diesen Satz gibt es auch in anderen Varianten, zum Beispiel: „Hauptsache es hat geklappt“, oder „Jetzt hast du ja ein Baby“ oder „am Ende hat es sich ja gelohnt“.


Viele andere Betroffene kennen diesen Satz auch, der oft in der Absicht geäussert wird, Betroffenen gut zuzureden, nach dem Motto, dass sie es jetzt ja geschafft haben.


Ganz so einfach ist es aber nicht. Bei unerfülltem Kinderwunsch weiss man nie genau, wie lange diese Phase noch dauern wird, was man alles dafür opfern muss und ob es am Ende überhaupt ein Baby geben wird. Ich schreibe bewusst nicht ein Happy End, denn auch ein Baby ist nicht einfach das Ende einer solchen Phase.


Wenn man für eine Prüfung lernen muss, dann ist das zwar auch mit Entbehrungen oder Anstrengungen verbunden, aber man kann ziemlich genau abschätzen, was es braucht, um die Prüfung, Ausbildung usw. zu bestehen. Wenn ich fünf Kilo abnehmen möchte, liegt es auch alleine an mir, wie schnell oder wie gut ich dieses Ziel erreichen kann. Auch dieser Prozess kann sich einfach oder schwierig gestalten, aber am Ende habe ich die Zügel in der Hand. Dann kann ich durchaus am Ende sagen, dass sich der Sport gelohnt hat, denn ich habe das Ziel ja erreicht. Oder ich habe genug gelernt, um die Prüfung zu bestehen. Das ist ein notwendiger, vorgegebener Weg dorthin und ich habe mir das Ziel selbst ausgesucht.


Ein Baby zu bekommen ist etwas, was normalerweise auf ganz natürliche Art passiert. Man kann weder gut noch schlecht darin sein, noch kann man es in irgendeiner Weise beeinflussen. Der Weg dorthin birgt daher nicht für alle Menschen die gleichen Voraussetzungen.


Durch eine jahrelange Kinderwunschzeit zu gehen, ist nicht vergleichbar mit etwas, was man sich aktiv aussucht, wie z.B. Karriere zu machen und stressige Arbeitszeiten in Kauf zu nehmen. Unerfüllter Kinderwunsch kommt auf den ganz normalen Alltag oben drauf, mit allen seinen Konsequenzen - die wie eingangs gesagt - am Anfang nicht abschätzbar sind. In dieser Zeit kann man keine wichtigen Entscheidungen wie Jobwechsel, Hauskauf, Weiterbildung etc. treffen, ohne dass im Hinterkopf nicht immer das Kinderwunschthema ein Fragezeichen bildet.

Viele Behandlungen sind auch über Jahre hinweg mit enormen Kosten verbunden. Es ist leicht zu sagen, dass man sich ja auch einen Porsche hätte kaufen können, schliesslich ist das ja eine freie Entscheidung. Stattdessen kommen die Kosten immer in ungelegenen Situationen und man bekommt oft - erstmal nichts dafür. Es sind Kosten, die andere nicht tragen müssen, die nicht von diesem Problem betroffen sind.

Bei unerfülltem Kinderwunsch gehen Freundschaften auseinander, vielleicht Beziehungen, man erlebt andere Ereignisse mit weniger Freude, weil man andauernd mit angezogener Handbremse unterwegs ist. Man verzichtet vielleicht auf einen Besuch im Freizeitpark mit Freunden, weil man a) nicht über die aktuelle Behandlung im Detail reden möchte und b) vielleicht ja doch schwanger ist. All das sind entgangene Erinnerungen, Freuden, usw. die einem niemand wieder zurückgeben kann.


Am Ende ist da vielleicht ein Baby, das man über alles liebt und für das man den langen Weg nochmals gehen würde. Vermutlich würde keine Mutter ihr Kind zurückgeben wollen, egal ob es einfach oder schwer geklappt hat. Das heisst aber nicht, dass im Moment der Geburt alle Anstrengungen dorthin vergessen sind. Oftmals ist man - wenn es endlich klappt - körperlich und mental bereits enorm ermüdet, wenn die Schwangerschaft erst einmal beginnt und sie ist von dauernden Ängsten geprägt. Das ist nicht zu vergleichen mit einer von Leichtigkeit umgebenen Schwangerschaft, die einfach so gekommen ist. Man hat sich vielleicht schon von einer Schwangerschaft verabschieden müssen - ohne dass ein Baby geboren wurde. So etwas kann sich nicht "lohnen", auch wenn am Ende vielleicht ein gesundes Baby auf die Welt kommt.


Gerne ziehe ich hier einen Vergleich zu anderen Diagnosen, um aufzuzeigen wie absurd manche Menschen den „Erfolg“ eines Babys am Ende bagatellisieren. Zu jemandem mit kaputter Hüfte sagt man ja auch nicht, dass sich das neue Hüftgelenk am Ende ja gelohnt hat - wenn dieses dringend notwendig war.


Oftmals schwingt in der Äußerung „Ende gut alles gut“ auch die Überforderung des Umfeldes mit. Sie sind froh, dass das leidige Thema nun endlich ein Ende gefunden hat und da sie selbst nicht betroffen sind, ist es für sie mit der Geburt eines Babys dann abgeschlossen.


Eine schwierige Kinderwunschzeit hinterlässt immer Spuren, die auch noch lange danach fortwirken. Viele Betroffenen berichten, dass sie ein Urvertrauen verloren haben, oder sie müssen sich auch später noch mit Ängsten und Verlusten auseinandersetzen. Deshalb ist es falsch zu sagen, etwas hat sich gelohnt, weil man in diesem Moment gar nicht weiss, welchen Preis man bezahlt. Lasst uns auch an jene denken, bei denen es vielleicht gar kein Baby gibt. Es gibt keine Antwort, ob es vielleicht später doch noch geklappt hätte, wie und warum. Man kann auch niemandem vorschreiben, wie weit er oder sie gehen muss bzw. kann, damit sich etwas lohnt. Manche Wunscheltern versuchen alles Mögliche und es klappt trotzdem nicht, das ist unfair.


Deshalb setze ich mich dafür ein, dass die Anstrengungen, aber auch die Folgen von unerfülltem Kinderwunsch gleich ernst genommen werden, wie andere körperliche oder mentalen Beschwerden, die einen während einer Zeit begleiten, auch wenn man im besten Fall wieder gesund wird. Sie alle hinterlassen Wunden, die vielleicht irgendwann zu Narben werden, aber eben doch für immer bleiben.

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