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Toxische Positivität vs. Optimismus Teil I: Einstieg

Wenn es mit der Schwangerschaft einfach nicht klappen will, erreichen uns oft gut gemeinte Ratschläge von aussen, in der art von: "Du musst nur positiv denken", oder wir suchen selbst nach einer Strategie und schreiben uns auf die Fahne, dass alles gut werden wird, nach dem Motto "Ende gut, alles gut".


In diesem Beitrag möchte ich aufzeigen, was der Unterschied zwischen toxischer Positivität und Optimismus ist, da uns ersteres höchstens noch mehr Stress bringt, als dass wir einen Nutzen davon haben.


Wenn wir uns - unbesehen der Umstände - ständig einreden, dass wir nur positiv genug denken müssen und sich dann schon eine Schwangerschaft einstellen wird, verursacht dies einige Schwierigkeiten. Positiv zu denken um jeden Preis ist wie folgt gekennzeichnet:

  • Negative Gefühle werden vollständig unterdrückt und nicht zugelassen

  • Alles muss einen positiven Effekt haben

  • Wir erwarten automatisch ein positives Ergebnis am Ende

  • Wenn dieses nicht eintritt, haben wir nur nicht positiv genug gedacht

  • Wir denken, dass wir nur durch das positive Denken etwas steuern können

  • Negative Aspekte wie z.B.medizinische Einschränkungen werden heruntergespielt

  • Positives Denken wird als einzige Lösung betrachtet

  • Alles wird auf unsere Einstellung reduziert, andere Faktoren werden ausgeblendet


Es ist nicht verwunderlich, dass man sich dadurch einen enormen Stress macht, weil man bei einem Ausbleiben einer Schwangerschaft immer gleich das Gefühl bekommt, nicht positiv genug gedacht zu haben. Mit unerfülltem Kinderwunsch im Alltag umgehen zu müssen, ist ohnehin schon eine riesige Herausforderung und es ist normal, dass dies auch mental manchmal schwierig ist. In einem solchen Moment ist man nicht in der Lage, ohne weiteres einfach positiv zu denken und alles andere auszublenden. Gelingt einem dies aber nicht, macht man sich umso mehr Vorwürfe. Deshalb ist toxische Positivität (auch von anderen) nicht förderlich.


Optimismus

Optimismus hingegen bedeutet erst einmal nur, dass man eine positive Grundeinstellung zum Leben hat. Auf unser Thema bedeutet dies, dass man grundsätzlich probiert, schwanger zu werden, dass man eine Schwangerschaft für möglich hält (bzw. mehr möglich als nicht möglich) und dass man bereit ist, sich mit diesem Thema auseinanderzusetzen. Klingt gleich viel entspannter, oder?


Eine Situation optimistisch zu bewerten, heisst folgendes.

  • Man hat eine positive Einstellung, stellt sich den Herausforderungen

  • Es wird keine vorgefertigte Erwartung formuliert

  • Schwierigkeiten werden angesprochen und nicht verleugnet, z.B. medizinische Einschränkungen

  • Dinge werden in Relation gesetzt, z.B. Chancen und Risiken

  • Persönliche Stärken werden identifiziert und in den Vordergrund gestellt, z.B. dass man stark ist, diese Reise anzutreten, dass man eine stabile Partnerschaft hat usw.

  • Man sieht sich selbst als Ganzes

  • Sorgen werden geteilt und Probleme ihn kleinere Pakete aufgeteilt, so kann man leichter damit umgehen

  • Die Situation wird realistsich beurteilt

  • Schlechte Tage werden zugelassen und ausgehalten, statt sie zu verdrängen


Ende gut, alles gut?

Der Ausspruch "Ende gut, alles gut" passt für schnulzige Filme von Rosamunde Pilcher, aber ist genauso ein Ausspruch von toxischer Positivität. Natürlich fällt einem ein Stein vom Herzen, wenn es endlich mit einer Schwangerschaft klappt und wenn das langersehnte Baby endlich da ist. Trotzdem wird die Zeit des unerfüllten Kinderwunschs kaum einfach vergessen. Man hat über eine lange Zeit enorme Einschränkungen erlebt, Rückschläge, Verluste, negative Botschaften, finanzielle Einbussen und vielleicht auch der Verlust von Freunden. Dies sind gravierende Einschnitte im Leben und in der Persönlichkeit. Viele Betroffene berichten, dass ihnen mit bzw. nach dem unerfüllten Kinderwunsch ein Urvertrauen gefehlt hat, welches sie zuvor immer besessen haben. Das Thema bringt einen an seine Grenzen und zum Teil darüber hinaus, genauso wie andere Menschen Extremsituationen in ihrem Leben zugetragen bekommen. Dies kann der plötzliche Verlust eines Angehörigen sein, das Erleben eines Kriegseinsatzes oder ähnliche aussergewöhnliche Erfahrungen. Diese prägen sich fest in unser Dasein ein und sind nicht einfach von heute auf morgen vergessen. Sie hinterlassen oft auch Spuren, manchmal sogar eine posttraumatische Belastungsstörung. Deshalb ist "Ende gut, alles gut" eine enorme Verharmlosung, welche dem Ergebnis niemals gerecht wird.


Über den Ausspruch "Ende gut, alles gut" erscheint demnächst ein eigener Beitrag.

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