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Untersuchungs-Overkill - wer kennt es?

Kannst du dich noch an deine vorletzte Zahnreinigung oder an deinen letzten Termin beim Hausarzt erinnern? Vermutlich nicht im Detail.


Die meisten Arzttermine, die wir im Laufe unseres Alltags wahrnehmen, sind unspektakulär und wir haben sie innert Kürze vergessen, sei es der eine Besuchbeim Hausarzt wegen dem hartnäckigen Husten, oder die eine Konsultation beim Orthopäden wegen der Sportverletzung. Diese haben alle eines gemeinsam: Es ist relativ egal, wer die behandelnde Person ist und das Leiden ist nach kurzer Zeit erledigt. Dementsprechend ist es auch ziemlich egal, welche Farben das Behandlungszimmer hat und wie genau die Untersuchung abläuft. Bei der Untersuchung eines vernkacksten Fusses kann nicht so viel schief gehen.


Ganz anders ist es, wenn man mitten im unerfüllten Kinderwunsch steckt. Mal Hand aufs Herz: Wer geht schon gerne zum Frauenarzt? Niemand. Das wird mir immer besonders deutlich bewusst, wenn ich Männer höre, die sich wegen einem Besuch beim Urologen alle paar Jahre schon in die Hose machen. Aber Frauen gehen einerseits unter normalen Umständen schon häufiger zum Frauenarzt, andererseits kommt man beim KiWu erst recht nicht um diese Termine herum.


Was ist so anders?

Es geht erstmal um unser Intimstes; die meisten Menschen dürften Unbegahen und Scham verspüren, wenn sie sich vor wildfremden Menschen immer wieder entblössen müssen. Das hat nichts mit Verklemmtheit zu tun, sondern gibt einfach unser normales Körperbewusstsein wider. Obwohl ein medizinisches Umfeld neutral sein sollte und keinerlei sexuelle Komponente eine Rolle spielt, kennt der Körper trotzdem dafür andere Grenzen, weil dies nichts Alltägliches ist, was uns widerfährt.


Zum einen kommt schnell das Gefühl des Versagens auf, wenn der eigene Körper die scheinbar einfachste Sache der Welt nicht hinbekommt. So einfach ist es natürlich in Wirklichkeit nicht und Unfruchtbarkeit ist genauso ein medizinisches Problem wie Wasser in der Lunge, aber das Gefühl des Versagens ist ungleich stärker. Sich dann von fremden Personen nach der Ursache untersuchen zu lassen, kann sich anfühlen wie ein Akt des Aufgebens.


Ständige vaginale Untersuchungen, oft auch schmerzhafte oder unangenehme Eingriffe, haben einen entmenschlichenden Charakter. Der Intimbereich wird zum medizinischen Objekt und gerade weil bei den Untersuchungen oft so vorgegangen wird, wie bei allen anderen Untersuchungen auch, fühlt man sich wie eine Nummer.

Verletzung von Grenzen

Als wären die Schamgrenzen nicht schon aufs Äusserste strapaziert, werden sie auch regelmässig überschritten. In einer solchen Situation wirkt sich das zig Mal schlimmer aus, als bei anderen Arten von Untersuchungen. Es kommen ungefragt zusätzliche Leute dazu, es wird noch eine grellere Lampe hinzugezogen oder ein Handgriff wird einfach fortgesetzt, obwohl es weh tut? In einem im wahrsten Sinne des Wortes so intimen Umfeld sollte besondere Sensibilität an den Tag gelegt werden, aber leider ist das noch keine Selbstverständlichkeit.


Kürzlich war ich für eine Voruntersuchung bei einer Vertretungsärztin. Nicht dass ich etwas gegen die jährlichen Pap-Abstriche hätte, aber es reicht mir persönlich auch, wenn diese alle 14 Monate gemacht werden, zumal das Ergebnis immer unauffällig war. Es ist einfach meine Art und Weise, eine Untersuchung in einem vernünftigen Mass doch etwas hinausschieben zu können. Deshalb hatte ich den Abstrich das letzte Mal erstmal abgelehnt, weil er gefühlt einen Tag abgelaufen war und ich sowieso bald wieder kommen musste.


Es war auch einfach nicht mein Tag und ich habe auf meine Intuition gehört, dass es mir heute nicht passt.

Als ich nun aber bei der Vertretungsärztin dran war, hatte sie den Vermerk bei meinem letzten Besuch gesehen und ordnete den Abstrich mehr oder weniger einfach an. Ich hatte einen guten Tag und habe erstmal nicht widersprochen, aber am liebsten hätte ich nochmals zugewartet.

Obwohl sie die Untersuchung sanft durchführte, verkrampfte ich mich sofort und rutschte immer wieder nach oben. Es war ein verzweifelter Akt, sich in sein Innerstes zurückziehen zu wollen. Die junge Ärztin wirkte überrascht und fragte, ob das unangenehm sei? Wahrscheinlich führt sie diese Untersuchung zwanzig Mal jeden Tag durch. Endlich hatte ich eine Sekunde, um mal richtig Luft zu holen. Ich sagte:


"Ja, es ist unangenehm. Nach 32 KiWu-Behandlungen mit mehreren hundert Untersuchungen dieser Art habe ich einen totalen Overkill davon."

Sie schaute mich völlig entgeistert an, denn so etwas hatte sie noch nie gehört.


Plötzlich wurde sie ganz einfühlsam und schaltete einen Gang herunter, sie gab mir immer wieder die Möglichkeit, zu atmen und fragte bei jedem weiteren Handgriff, ob es in Ordnung wäre und ob sie weiter machen könne. Insgesamt dauerte die Untersuchung damit vielleicht 30 Sekunden länger, aber sie ging auf mich und meine Reaktion ein. Warum nicht sofort?

Eine schwierige Kombination

Bei Untersuchungen dieser Art kommt vieles zusammen. Neben den körperlich unangenehmen Untersuchungen kommen häufig noch negative Bescheide, überraschende Befunde und zeitlicher Druck dazu, weil die Untersuchung nicht einfach zu Ende ist, sondern weil davon wieder alle weiteren Schritte abhängen. Muss ich morgen nochmal zum Ultraschall kommen, weil man nicht genug sieht? Wird etwas gefunden, wie z.B. ein Myom, was mich total aus der Bahn wirft? Wird festgestellt, dass ich aus irgendwelchen Gründen den Zyklus abbrechen muss? Das Ganze geschieht schon auf der Grundlage, dass ich zu einem ungünstigen Zeitpunkt den Termin bei der Arbeit in meinen Kalender quetschen musste, dass ich im Stress hergefahren bin, um noch rechtzeitig einen Parkplatz zu finden, denn auf der Arbeit kann ich nicht zu lange fehlen und so weiter... Diese Kombination von Hoffnung, körperlichem Stress und Enttäuschung ist eine toxische Mischung und wirkt sich enorm auf die Psyche aus. Hinzu kommen Schuldgefühle und Versagensdruck, die sich ebenso auf die Intimität auswirken. (Zum Thema Intimität kommt bald ein separater Beitrag)


Deshalb ist es nicht verwunderlich, dass viele Frauen Abwehrreaktionen, Schmerzen und Anspannung entwickeln, auch wenn die Untersuchungen medizinisch "harmlos" sind.


In diesen Momenten hilft es nicht gerade viel, wenn ein männlicher Arzt einem sagt, dass es ja gar nicht weh täte...

Was du tun kannst

Nach vielen Untersuchungen fühlt sich der Körper manchmal mehr „benutzt“ als bewohnt an. Hier helfen Dinge, die dich bewusst zurück in den Körper bringen – aber ohne medizinischen Zweck.


  1. Körperarbeit im geschützten Raum

Seinen Körper wieder in Ruhe, ohne Störfaktoren und vor allem alleine spüren zu können, kann seelische Wunden dieser Art heilen. Dabei geht es nicht um sexuelle Berührungen, sondern um ganz grundlegendes Spüren des eigenen Körpers ohne Ziel. Dies kann z.B. ein warmes Bad sein, eine weiche Decke unter die man sich einkuscheln kann, oder eine sanfte Bewegungsform oder Massage. Wenn es dir gut tut, schliesse die Tür oder ergänze die Umgebung mit Düften oder anderen Dingen, die dir gut tun und dir ein Gefühl von Geborgenheit geben. Wärme wirkt generell wie Geborgenheit, sei es durch eine Wärmedecke oder durch ein Sonnenbad auf einem bequemen Liegestuhl.


  1. Achtsamkeit

Man ist so oft hart zu sich in dieser Zeit. Da hilft es, innerlich umzuschalten: "Ich habe so viel durchgemacht. Ich darf mich ausruhen. Ich bin mehr als meine Gebärmutter."

Hier kann Meditation in Form einer Körperreise bzw. einer Imaginationsreise helfen. In einem solchen geschützten Rahmen kann der Körper neu erlebt werden und in einem anderen Kontext wieder ein Gefühl von "sich gut fühlen" entwickeln.


  1. Grenzen setzen ist richtig und wichtig

Erinnerst du dich an meine Untersuchung bei der jungen Ärztin? Warum ist sie nicht gleich auf meine Bedürfnisse eingegangen und hat gefragt, ob es jeweils in Ordnung ist, wenn sie weitermacht? Danach ging es ja wesentlich besser, deshalb habe ich gelernt, immer für mich zu sprechen.

Du darfst Nein sagen. Oder sagen: „Ich brauche kurz Zeit.“ Oder darum bitten, dass jemand anders bei der Untersuchung (nicht) dabei ist.

  • Sag bei Terminen ganz offen, wenn du eine Pause brauchst.

  • Manche Praxen sind offen für „Trauma-sensibles Arbeiten“ – lohnt sich, das zu erfragen.

  • Lehne zusätzliche bzw. nicht dringende Untersuchungen ab, wenn du dich nicht gut fühlst.

  • Trage Kleidung, in der du dich wohl fühlst und mit denen du eine gute Erinnerung verbindest.

  • Tagebuch schreiben: Notiere dir nach einem Arztbesuch, was gut gelaufen ist und was weniger gut gelaufen ist. Bei deinem nächsten Besuch kannst du dich noch gezielter darauf konzentrieren und mögliche negative Faktoren im Vorfeld schon ansprechen.


In meinem Coaching besprechen wir solche Situationen im Detail, damit du bestmöglich darauf vorbereitet bist. Du lernst, wie du auch in schwierigen Situationen mühelos Probleme ansprichst und bekommst eine Strategie, die zu dir passt.



 
 
 

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