Was hältst du von Kinderwunsch-Yoga?
- Anna Bergmann
- 5. März
- 4 Min. Lesezeit
Diese Frage stellte mir neulich eine Followerin. Die Antwort:
Nichts.
Wie kann das sein? Schliesslich habe ich selbst ein Diplom als 500h-Yogalehrerin und ich bin zertifizierte Prä- und Postnatal-Yogalehrerin. Wo kann es vielleicht doch helfen?
Meine eigene KiWu-Reise führte mich in die tiefsten Abgründe meiner körperlichen und mentalen Verfassung, sodass mir eine Zeit lang jedes Mittel recht war, um endlich schwanger zu werden. Ich habe alles ausprobiert, von Hypnose über KiWu-Yoga bishin zu Trance - am Ende ist nichts daraus geworden.
Kinderwunsch-Yoga hat zum Ziel, dass durch gewisse Haltungen (Asanas) die Geschlechtsorgane in einen vorteilhaften Zustand versetzt werden sollen, damit sich nachher leichter eine Schwangerschaft einstellt. Und genau da liegt das Problem.
Viele Angebote - vor allem unter dem Begriff "ganzheitlich" suggerieren, dass man etwas übersieht und dann nur den Faktor XY anpassen muss, weil darin der verborgene Schlüssel zu der langersehnten Schwangerschaft liegt. Weiter noch, es wird einem verklickert, dass es evtl. Blockaden gibt oder dass man mit sich nicht im Reinen sei und es deshalb nicht klappen würde.
Ich bin grundsätzlich ein spiritueller Mensch und ich bin überzeugt, dass es der Gesundheit zuträglich ist, wenn man ein gutes Verhältnis zum eigenen Körper hat. Das Problem ist aber, dass sich der unerfüllte Kinderwunsch sowohl in das körperliche als auch in das seelische Wohlbefinden hineinfrisst und man wird dieses Thema nicht los, bis sich der Wunsch erfüllt hat.
Je mehr man versucht, sich zwanghaft zu entspannen, bestimmte Übungen zu machen oder sich auf Biegen und Brechen mit sich im Reinen zu fühlen, desto schneller dreht sich oft die Welt draussen und je länger man in dieser Problematik gefangen ist, desto stressiger wird das Thema insgesamt. Wenn es Monat für Monat, Jahr für Jahr einfach nicht klappen will, dann liegt meistens eine medizinische Diagnose vor. Hinzu kommt, dass mit der steigenden Komplexität von Diagnosen oft auch die Komplexität einer Behandlung steigt - sprich je länger es dauert, desto invasiver die gewählte Methode, weil alles andere vorher nichts genutzt hat. Dies ist körperlich anstrengend, manche Betroffene hassen ihren Körper regelrecht und das ist normal. Es ist normal, sich nicht mit sich im Reinen zu fühlen und nicht umgekehrt. Nur weil ich ein paar angenehme Körperhaltungen einnehme, wird mein Wunsch nach einem Baby davon weder kleiner, noch wird er einfach so erfüllt.
Es ist eine Illusion, dass man sich nach mehreren Jahren in dieser Spirale noch problemlos entspannen kann und Methoden wie KiWu-Yoga dann zum Erfolg führen würden. Ich finde es gefährlich, hier von wirksamen Techniken zu sprechen, denn diese Aussage unterliegt oft einem gewaltigen Irrtum:
Personen, die damit werben, dass sie schnell durch KiWu-Yoga schwanger geworden seien, können diesen kausalen Zusammenhang nicht beweisen. Es kann auch sein (und hiervon gehe ich eher aus), dass sie einfach Glück hatten und auf natürlichem Wege innerhalb eines normalen Zeitraums schwanger geworden sind. Dies aber so zu verkaufen, dass alle anderen das auch könnten, wenn sie denn nur genug Yoga machten, finde ich gefährlich.
Wo kann KiWu-Yoga doch helfen?
Ich habe sogar während meiner langen KiWu-Reise eine Yogalehrer-Ausbildung gemacht - wie passt das also zusammen? Ich habe nichts gegen Yoga, ich liebe es sogar. Ich bin ursprünglich auf Yoga gekommen, weil ich eine weniger anstrengende Sportart suchte, die mit dem Kinderwunsch vereinbar war. Natürlich ist Yoga nicht primär ein Sport, aber die Art der Bewegungen gefiel mir sehr und so kam ich mit der Zeit näher mit der Materie in Kontakt.
Nach der Yogastunde fühlte ich mich jeweils besser als davor und mit der Zeit wollte ich mehr darüber erfahren, was diesen Effekt auslöst. Innerhalb der Yoga-Community gibt es natürlich verschiedene Fraktionen, von sehr spirituell bis eher sportlich orientiert und ich würde mich selbst im Mittelfeld verorten. Ich bin überzeugt, dass man sich etwas Gutes tun kann, wenn man eine Praxis verfolgt, die Körper und Geist vereint und einen für eine gewisse Zeit von der schnellen Welt da draussen entkoppelt.
Wo ich Yoga einsetze und wo nicht
Der springende Punkt ist für mich, dass ich mich nach einer Yogastunde gut fühle. Am Ende ist es meinem Kinderwunsch zuträglich, wenn es mir - so weit das eben möglich ist - manchmal gut geht und ich Momente erlebe, in denen ich zumindest ein bisschen abschalten kann. Hierfür eignet sich Yoga wunderbar, da man sich auf eine gute Art sehr konzentrieren muss und es damit vielleicht kurzzeitig schafft, seine Gedankenkarusselle zu durchbrechen und sich fit zu halten.
Sobald es aber darum geht, eine bestimmte Anzahl solcher Einheiten zu absolvieren und dies mit dem Ziel, dadurch schwanger zu werden, finde ich diesen Ansatz problematisch. Es gibt Tage (und es gibt nicht wenige davon...), an denen man sich auf der Kiwu-Reise einfach nur grauenvoll fühlt und an denen man auf nichts Lust hat, auch nicht auf Yoga. Yoga hilft auch nicht, wenn ich gerade ein negatives Ergebnis erhalten habe und am liebsten laut schreien würde. Leider wird einem dies aber oft so verkauft und das stört mich.
Mich stören jegliche Bezeichnugnen, die "Kinderwunsch" und etwas anderes im gleichen Wort verbinden, denn ihr wisst ja, dass ich genau deshalb auch kein Kinderwunsch-Coach bin. Yoga kann eine wunderbare Art sein, den schwierigen Gedanken kurzzeitig zu entfliehen, es kann eine Insel bzw. eine Oase sein, dies aber ohne Zwang und ohne kausale Verbindung zum Schwangerwerden. Keine Yoga-Pose der Welt wird genetische Störungen oder verschlossene Eileiter heilen können.
Mein Tipp:
Verschenke keine Hoffnung an den Begriff "KiWu-Yoga". Niemand kann dir eine Schwangerschaft versprechen. Wenn dir Yoga insgesamt gut tut, dann nutze es um manchmal auf andere Gedanken zu kommen. Es ist eine Variante, aus den schwierigen Herausforderungen des Alltags auszubrechen und zwar ohne Ziel und das ist gut so. Alles andere erzeugt noch mehr Druck, wenn es genau deswegen doch nicht klappen will.
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